Während die Gesellschaft mehr und mehr privatisiert wird, erodiert der Staat. Eine Entwicklung, die schon vor Jahrzehnten in Gang gesetzt wurde und für lange Zeit gelten wird. Bei seiner Erosion wird der Staat in einem grundlegenden Prozess abgetragen, er verliert Struktur und Masse, er wird „abgespeckt“. Ein Vorgang, der in Deutschland von den Bundesregierungen seit Jahren auf den Weg gebracht wird.

Aber was wird vom Staat letztendlich abgetragen? Es ist gesellschaftliche Macht, die zu den multinationalen Unternehmen verfrachtet wird.

Staatliche Strukturen sind gelockert, dadurch kann der Staat weniger Aufgaben wahrnehmen. Dabei hat der Staat hat sein grundlegendes „Material“ auch selbst gelockert, nachdem es durch die gesellschaftliche Entwicklung „porös“ geworden ist. Markantes Beispiel ist die Agenda 2010 im Jahre 2003 durch die Rot-Grüne Bundesregierung, wodurch die soziale Sicherheit erheblich abgebaut und in den privaten Wirtschaftsbereich verlagert wurde.

Diese Entwicklung führt zu einem Zuwachs der gesellschaftlichen Macht bei multinationalen Unternehmen

In vielen Bereichen der Gesellschaft verliert der Staat an Kompetenzen, die aber nicht verloren gehen, sondern sich bei der Wirtschaft wiederfinden. Dort stellen wir fest, dass vorrangig multinationale Unternehmen vormals staatlichen Kompetenzen übernommen haben:

  • die Kompetenz für unsere Gesundheitsvorsorge durch private Versicherungen und privatisierte Krankenhäuser,
  • die Kompetenz für die soziale Sicherheit im Alter ebenfalls durch private Versicherungen,
  • die Kompetenz für die Sicherstellung der Versorgung mit Nahrungsmitteln auch für ärmere Personen durch die Discounter von multinationalen Unternehmen, die einen immensen Teil der gesellschaftlichen Macht bedeutet,
  • die Kompetenz für die Hoheit über persönliche Daten und
  • die Kompetenz für unsere Bildung, die der Staat, unter Einbeziehung aller Medien, weitgehend abgegeben hat.

Die Wirtschaft als erodierender Faktor

Doch nicht nur der Staat beschleunigt seine Erosion. Wirtschaftsverbände, internationale Zusammenschlüsse der Wirtschaft, wie die internationale Handelskammer (ICC), und vor allem die international verflochtenen multinationalen Unternehmen wirken als treibende Kräfte.

Bei diesem Prozess verändert sich der Staat grundlegend, denn mit weniger gesellschaftlicher Macht verliert der Staat an Bedeutung. Und der Staat ist heute nicht einmal mehr in der Lage, Mediator für die Privatisierung der Gesellschaft zu sein, sondern er kann sich nur noch auf seine Rolle als Moderator derselben beschränken.

Während der Staat auch in Zukunft weiter erodieren wird, verliert er immer mehr Möglichkeiten, in wirtschaftliche und politische Entwicklungen entscheidend einzugreifen. Auf der einen Seite stehen die Unternehmen, die unabhängig von staatlichen Grenzen handeln, auf der anderen Seite befindet sich die Bevölkerung, für die der Staat die Rahmenbedingungen des täglichen Lebens mehr und mehr durch die Privatwirtschaft bestimmen lässt. [1]

Der wirtschaftliche Erfolg steht über dem Staat

Multinationale Unternehmen werden auch weiterhin den Staat vor sich her in eine ihnen wirtschaftlichen Erfolg versprechende Richtung treiben. Markantes Beispiel ist der Bau der Tesla-Fabrik bei Berlin, wo SPD- und Grüne-Regierungsvertreter:innen in Berlin und Brandenburg als Vertreter:innen des Staates einen 90 ha großen Wald zu einer nutzlosen Kiefernplantage herunterstuften, die bezüglich des Umweltschutzes keinen Wert darstellen würde und deshalb bedenkenlos abgeholzt werden könne (siehe auch These XI).

Mit jeder Erosionswelle hinterlässt der Staat ein wachsendes gesellschaftliches Vakuum, welches multinationale Unternehmen für ihre betrieblichen Aktivitäten nutzen und den Staat weiter erodieren lässt. So ist die weitere Entwicklung vorgegeben. Auf der einen Seite handeln finanzstarke multinationale Unternehmen, auf der anderen Seite verschuldete Staaten.

  • Was wird deshalb vom Staat in seiner heutigen Form übrig bleiben?
    Ein Staat 4.0 als Hülle, die von Interessengruppen unter der Führung von multinationalen Unternehmen, die mit global angelegten Projekten den Takt für die Privatisierung der Gesellschaft vorgeben, ausgefüllt wird?
    Die Zivilgesellschaft ist heute schon vor Ort und im sozialen Netz durchsetzt mit Initiativen aus der Wirtschaft.
  • Oder zerfällt der Staat in viele kleine staatsähnliche Gebilde, die nicht mehr räumlich, sondern online im Netz global organisiert sind, ähnlich wie heute die Follower Groups in den sozialen Netzwerken?
  • Wie stark und wie schnell wird die fehlende Glaubwürdigkeit an den Staat durch die Glaubwürdigkeit an multinationale Unternehmen ersetzt, die die Rahmenbedingungen des täglichen Lebens bestimmen und einen Teil der Sicherheit übernehmen, die bisher vom Staat garantiert wurde?
  • Welche Werte wurden früher mit dem Staat verbunden und welche heute?
  • Was bedeutet es für unser Wertesystem, wenn das Parlament mit seinen Entscheidungen die wirtschaftliche und politische Entwicklung nur noch bestätigen kann, weil multinationale Unternehmen in der Entwicklung vorausgehen?
  • Und welche Folgen hat der ständige Konsum von Informationen und Daten über das Smartphone für die Priorität bei unseren Wertvorstellungen?
  • Wie stark verändert der Abbau der demokratischen Kontrolle insbesondere bei den in Firmen gespeicherten personenbezogenen Daten die demokratische Struktur und damit unser Verhältnis zum Staat?
  • Und was nützt eine demokratische Kontrolle, wenn Geheimdienste die Internet-Knoten nach Belieben anzapfen können?

In der Logik dieser Entwicklung wird eine Frage aktuell werden:

  • Ist das Steuersystem mit der Privatisierung der Gesellschaft noch konform, wenn wir unsere Steuern an einen Staat entrichten, der seine Aufgaben stetig abbaut, für die wir dann bei multinationalen Unternehmen „doppelt“ bezahlen müssen, nachdem wir bereits mit unseren Steuern für diese Aufgaben bezahlt haben?

[1] Schott, Peter 2018: Die Wirtschaft – Dein Freund und Helfer.- Thesen 6 und 8, Kindle eBook.

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    Wohin entwickelt sich die Gesellschaft?

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    These II » Die zunehmende Macht der multinationalen Unternehmen verändert unsere Gesellschaft

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    These V » Die Erosion des Staates hinterlässt ein gesellschaftliches Vakuum

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