Mit der Privatisierung aller Lebensbereiche befinden wir uns mitten in einem gigantischen Umbau der Gesellschaft, der viele soziale und ökologische Träumereien wegschwemmt. Das Ende dieser Entwicklung ist noch lange nicht erreicht. Während multinationale Unternehmen immer stärker unseren Alltag bestimmen, zieht sich der Staat im gleichen Ausmaß aus seiner Verantwortung zurück.

Genauer betrachtet wird der Staat nicht privatisiert, sondern er privatisiert sich selbst. So setzte in Deutschland die Rot-Grüne Bundesregierung 2003 einen Meilenstein für die Privatisierung der Gesellschaft. Mit der Agenda 2010 wurden der Privatwirtschaft endgültig die Wege geebnet, um bisher staatliche Aufgaben zu übernehmen.[1]

Die Privatisierung wurde auf eine neue Stufe gehoben, die soziale Sicherheit auf ein reduziert. Der Abbau der staatlichen sozialen Leistungen und deren Übernahme in die betriebliche Kalkulation von Wirtschaftsunternehmen wurde uns als Wechsel vom „versorgenden zum aktivierenden Sozialstaat“ verkauft. Selbst der Umweltschutz geht heute nur noch so weit, bis multinationale Unternehmen ihre Baupläne vorlegen.

Aus Sicht der Wirtschaft war die Agenda 2010 längst überfällig, sie war die logische Konsequenz einer jahrelangen Entwicklung. Die Privatisierung der Gesellschaft war weit fortgeschritten, allein der Staat und in seiner Vertretung die Regierung hinkte hinterher. So überrascht es nicht, dass an den Inhalten der Agenda 2010 die Bertelsmann AG maßgeblich beteiligt war.

Was bedeutet diese Entwicklung in Zukunft für den sozialen Sektor?

Insbesondere in den Industriestaaten, wo der große Teil der Bevölkerung die Privatisierung von Sozialleistungen stillschweigend akzeptiert? Und in den industriell weniger entwickelten Ländern, wo die Privatwirtschaft auch über ihre Stiftungen in den sozialen Sektor eingreift?

Die Entwicklung ist so eindeutig und zielgerichtet, dass wir uns fragen können:

Wann wird die Gesellschaft so weit sein,

  • dass wir unseren Krankenkassenbeitrag direkt an die Pharmaunternehmen bezahlen, damit diese den Gesundheitsbereich vollständig übernehmen?
  • dass die Rente von der Beitragszahlung bis zur Auszahlung von multinationalen Versicherungsunternehmen organisiert wird?
  • und dass schließlich die Privatwirtschaft unsere gesamte soziale Absicherung übernimmt?

Unsere soziale und gesundheitliche Absicherung haben wir zu einem großen Teil an die Privatwirtschaft abgegeben. Mit der Privatisierung der Krankenhäuser wurde eine solche Entwicklung schon längst auf den Weg gebracht, ohne dass in der breiten Öffentlichkeit Widerspruch erfolgt. Eine wachsende Rolle spielt auch die Privatrente, weil der jährliche Zuschuss aus unserem Steueraufkommen für die staatliche Rente gekürzt wurde.

Diese Entwicklung provoziert noch weitere Fragen

  • Wie verändert sich unser Verhältnis zum Staat, wenn staatliche Leistungen durch private Leistungen ersetzt werden und die multinationalen Unternehmen unseren Alltag weitgehend bestimmen?
  • Wo in der Gesellschaft sind wir in diesem neuen Verhältnis neu verortet?
  • In welchen privatwirtschaftlichen Netzen sind wir eingebunden?
    Wie verändern sich diese Netze durch die fortgesetzte Privatisierung?
  • Welchen Einfluss hat die Covid-19-Pandemie auf die Privatisierung der Gesellschaft?
    Beschleunigt die Pandemie die Privatisierung,

    • weil sie einen Entwicklungssprung bei der Digitalisierung bewirken wird und die Privatwirtschaft dadurch weitere Bereiche der Gesellschaft in ihre Kontrolle bekommt,
    • weil sie die multinationalen Unternehmen stärkt, die in die durch Insolvenzen verursachten Marktlücken eingreifen?
  • Wie der Covid-19-Lockdown zeigte, fanden viele Personen das Online-Leben angenehm. Doch was bedeutet die Ausweitung des virtuellen persönlichen Lebens für die weitere Entwicklung unserer Gesellschaft im Hinblick darauf, dass sich, die Online-Kommunikation über Twitter, Facebook, WhatsApp usw. in den Händen multinationaler Unternehmen befindet?

Wir entscheiden uns für multinationale Unternehmen, die umfassender denn je unsere Grundversorgung übernehmen. Sei es bei der Energie- und Wasserversorgung, beim öffentlichen Personenverkehr, der nicht mehr „öffentlich“, sondern privat geworden ist, oder im sozialen Sektor, wo wir eine Versicherung nach der anderen abschließen müssen, um die bisherige Daseinsfürsorge des Staates durch eine neue Daseinsfürsorge, jetzt der multinationalen Unternehmen, zu ersetzen.

Diese Entwicklung wird auch unsere Zukunft sein.


[1] Ausführungen zur Agenda 2010 sind überwiegend entnommen aus: Schott, Peter 2018: Die Wirtschaft – Dein  Freund und Helfer.- These 2, Kindle eBook.

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    Wohin entwickelt sich die Gesellschaft?

    These I » Die Gesellschaft wird privatisiert

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    These II » Die zunehmende Macht der multinationalen Unternehmen verändert unsere Gesellschaft

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    These IV » Die Marginalisierung der Parteien ist weit fortgeschritten

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    These V » Die Erosion des Staates hinterlässt ein gesellschaftliches Vakuum

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